Doppeltes Jubiläum in der vietnamesischen Pagode Hannover

Ende der 1970er Jahre kamen tausende Vietnamesen als Bootsflüchtlinge nach Deutschland. Längst gelten sie und ihre Nachkommen als bestens integriert. Im Frühsommer 2019 feierte die Vietnamesische Buddhistische Religionsgemeinschaft in Hannover ihr 40jähriges Bestehen.

Einige Senior-Mönche versammeln sich am Haupteingangstor zum Grundstück der Pagode

Gleichzeitig begingen die vietnamesischen Buddhisten in Deutschland den 70. Geburtstag ihres Hauptlehrers, des sehr Ehrwürdigen Thich Nhu Dien. Tausende Menschen besuchten die viertägige Veranstaltung: Vietnamesischstämmige aus Deutschland und dem europäischen Ausland, darunter eine sehr große Schar von Nonnen und Mönchen, sowie deutsche Buddhisten, Anwohner und andere Gäste.

Sie verfolgten zwischen dem 27. und 30. Juni ein sehr buntes Programm. Dazu gehörten wissenschaftliche Vorträge zum Buddhismus, Darstellungen zur Geschichte der vietnamesischen Buddhisten in Deutschland, Bücherpräsentationen und kulturelle Darbietungen. Mit großer Dankbarkeit würdigten die Besucher das Wirken des sehr Ehrw. Thich Nhu Dien, der weit über die vietnamesische Gemeinschaft hinaus hohes Ansehen genießt. Ein ganzer Tag war der Ordination von Mönchen und Nonnen, sowie von Ordensanwärtern gewidmet, die sich teilweise öffentlichen Prüfungen unterzogen. Auch klassische Laiengelübde, mit denen der im normalen Leben stehende buddhistische Praktizierende verspricht, nicht zu töten, zu stehlen, zu lügen, berauschende Mittel zu missbrauchen oder anderen sexuell zu schaden, wurden abgenommen. Mit intensivem Zeremoniell erwiesen die Anwesenden der ordinierten Gemeinschaft ihre Ehre und beglückwünschten die über 60-jährigen Eltern. Im vietnamesischen Buddhismus wird unter anderem die Dankbarkeit gegenüber Eltern und den Ahnen sehr betont. Ein besonderes Ritual galt der Befriedung negativer Energien durch so genannte Hungergeister.

Links: Versammlung von Ordinierten und Laien in der großen Andachtshalle; Rechts: Dr. Olaf Beuchling und Tuan Van Cong referieren über die Geschichte des vietnamesischen Buddhismus in Deutschland; Moderation: Thich Hanh Gioi, langjähriger Abt der Pagode Viên Giác

Es war im Jahre 1977, als der junge Mönch Thich Nhu Dien einen vietnamesischen Freund in Kiel besuchte. Kurz zuvor hatte er in Japan sein Studium der Erziehungswissenschaften und der Buddhismuskunde abgeschlossen. Seine Heimatregion Quang Nam war 1975 von den Truppen des kommunistischen Nordvietnam erobert worden. Die Berichte über die Zustände im ehemaligen Süd-Vietnam waren alarmierend. Thich Nhu Dien konnte in Deutschland bleiben. Er studierte die deutsche Sprache und ließ sich 1978 in Hannover nieder. Zusammen mit einer überschaubaren Gruppe Vietnamesen gründete er in einer Wohnung ein buddhistisches Zentrum. Mit der Ankunft zehntausender „Boat People“ und ihrer Familienangehörigen, die Deutschland in den kommenden Jahren aufnahm, waren seine Fähigkeiten als Seelsorger und geistiger Lehrer mit einem Mal sehr gefragt. 1979 gehörte er zu den Begründern der „Congregation der Vietnamesischen Buddhistischen Kirche, Abteilung in Deutschland“ (CVBK). Mit großem Einsatz kümmerte sich Thich Nhu Dien um den Zusammenhalt der Vietnamesen in Deutschland, motivierte sie, hart für ihre Integration in der neuen Heimat zu arbeiten. Er gründete Dutzende Pagodengemeinden, übernahm die Verantwortung für die Ausbildung sowie der Ordination von buddhistischen Nonnen und Mönchen, hielt die Verbindungen zu Vietnamesen im Ausland und schrieb Dutzende Broschüren und Bücher. Die von ihm mit herausgegebene Zeitschrift „Viên Giác“ dient seit 1979 dem Austausch der Vietnamesen in Deutschland.

Geschmückter Eingang zum Hauptgebäude und siebenstöckiger Turm

Die heutige Pagode „Viên Giác“ (= „Vollkommene Erleuchtung“) entstand zwischen 1987 und 1993 im Hannoverschen Stadtteil Mittelfeld und ist die größte buddhistische Tempelanlage ihrer Art in Deutschland. Auf einer Fläche von über 3000 m² beherbergt sie unter anderem eine Andachtshalle, Wohnräume und Gästezimmer, Seminarräumlichkeiten, eine Bibliothek und eine Großküche. Nach außen prägen ein siebengeschossiger Turm und zwei kleine Teiche im asiatischen Stil das Erscheinungsbild. Auf einem neu erworbenen Nachbargrundstück wurde 2014 eine sieben Meter hohe, vergoldete Statue des Bodhisattvas Avalokiteshvara („Liebevolle Augen“) errichtet. In dem sechseckiges Sockelgebäude, auf dem sie steht, befindet sich ein Meditationsraum.

Die große Statue des Bodhisattva Avalokiteshvara neben der Pagode

In Deutschland leben ca. 120.000 Menschen vietnamesischer Herkunft. Entsprechend des Anteils in ihrem Heimatlandes gelten etwa 4/5 von ihnen als Buddhisten. Sie sind damit die mit Abstand größte buddhistische Gemeinschaft hierzulande. Die meisten von ihnen praktizieren in der Tradition der „Reinen Land-Schule“. Oft haben ihre Tempel Räume, wo mit kleinen Bildnissen den verstorbenen Angehörigen und Freunden der Gemeinde gedacht wird.

Zu den bekanntesten Deutschen mit vietnamesischen Wurzeln zählen der ehemalige Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler Phillip Rösler, die Schauspielerin und Fernsehjournalistin Minh-Khai Phan-Thi und der Kunstturner Marcel Nguyen, zweifacher Silbermedaillengewinner bei den Olympischen Spielen von London 2012.

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Veröffentlicht am: 17.08.2019